"Sie haben die Prüfung zum Kadetten geschafft, doch es werden noch viele Prüfungen da draußen auf Sie warten."

Mit diesen Worten und tosendem Applaus war die Rede des Generals beendet.

Der General deutete auf das Sternenmeer über den Köpfen seines Publikums. Dieses bestand aus den Absolventen der Sternfahrer-Akademie. Sie waren im Begriff, ihre erste richtige Mission im besagten Sternenmeer zu absolvieren.

Es herrschte eine ansteckende, lebhafte Aufbruchsstimmung.

"Da schwingt er so große Reden, dabei weiß doch jeder, dass die Trainingsmissionen nur Ausflüge in der näheren Umlaufbahn sind, bei denen wir auf unbewegliche Ziele schießen." raunte Dereks Kumpel Kuhn ihm zu.

Den höhnenden Ton in seiner Stimme hätte Kuhn sich sparen können. Derek hatte auch so herausgehört, wie lächerlich Kuhn die Rede gefunden hatte.

"Ich freue mich, endlich einmal wahrhaftig zu fliegen." blieb Derek ernst.

"Wahrhaftig? Hörst du dir selber zu?" hörte Kuhn mit Höhnen nicht auf.

Derek kam nicht dazu, etwas zu erwiedern. Der Befehl zum Besetzen ihres Raumschiffs hallte durch große Lautsprecher:

"Boarding der Sea of Infinity beginnen!"

Das war ein schöner Name für ein eigentlich ziemlich normales mittelschweres Kampfschiff. Die Sea of Infinity war aber das Flaggschiff ihres Ausbildungs-Geschwaders und darum ein wenig größer als der Rest.

Die Kadetten vor Derek und Kuhn setzten sich in Bewegung, nun waren sie gleich an der Reihe. Ein geordneter Gang, in dem jeder wusste, was er zu tun hatte. Das lernte man von Minute 1 der Akademie. So fiel es den Beiden genausowenig schwer wie den Anderen. Schnell und geordnet ging es auf das 50 Meter hohe Raumgefährt zu. Je näher man ihm kam, desto mehr merkte man doch, dass man die Dimensionen nicht unterschätzen sollte.

Allein die beiden Triebwerke unter dem Korpus des Schiffes hatten einen Durchmesser von 12 Metern. Es sah ein wenig so aus, als würde die Sea of Infinity auf 2 langen Röhren liegen.

Derek, Kuhn und die restliche Besatzung beschritten eine Rampe, welche sie über die monströsen Triebwerke direkt zum Haupteingang an der Unterseite des Korpus brachte.

Nun galt es, sich an die Wegbeschreibungen zu ihren Posten zu erinnern. Sie betraten zum ersten Mal überhaupt ein echtes Raumschiff - davor hatte es nur Simulatoren gegeben.

Die Kumpels würden auch bei der Arbeit auf ihren Posten nah zusammen bleiben. Ihr Weg führte sie vom Haupteingang aus immer weiter Hoch und nach Vorne im Korpus des Schiffes. Es ging auf die Kommandobrücke. Kuhn war seit langem der größte Pilot, der die Akademie absolviert hatte. Derek wiederum so ziemlich der kleinste Kommando-Assistent. Gewöhnlich war das genau anders herum.

Das hinderte die Beiden nicht, ihre designierten Posten zu finden und einzunehmen.

Derek nahm einen der beiden Sitze neben dem Sitz des Kommandanten ihre Geschwaders ein. Kuhn fand sich auf dem Vorderen von 2 Steuerplätzen wieder.

Die anderen Kadetten nahmen sekundäre Positionen am Navigationsstand, der Kommunikationsebene und den Ingenieurspulten ein. Die primären Funktionen nahmen ihre Ausbilder wahr, welche nun die Brücke betraten.

Derek und Kuhn bekamen zum ersten Mal ihren Kapitän zu sehen. Es handelte sich um einen Mann von wuchtiger Gestalt, mit orange-farbenem Bart, der sein ganzes Kinn umspannte.

Noch markanter war jedoch seine Augenklappe über dem rechten Auge. Wollte er keine Prothese?

Da sie sich auf dem Flaggschiff befanden, schritt vor ihrem Kapitän noch der Kommandant des Gechwaders. Ein unscheinbarer Kerl, kaum größer als Derek. Man hatte ihn vor dem etwas furchterregenden Kapitän zuerst nicht gesehen. Er trug Uniform-Mütze und -Jackett quasi wie nach der Anleitung des Lehrbuchs.

"Kapitän Lonn, bringen sie uns zum Treffpunkt mit dem anderen Ausbildungsgeschwader. Die restlichen Schiffe sollen uns in Sternformation folgen." ordnete der Kommandant umgehend an.

Kuhn drehte sich kurz um, sodass er Dereks Gesichtsausdruck sehen konnte. Derek bemerkte das und blickte ihn auch kurz an. Sie mussten sich nichts sagen. Beide wussten, dass der Andere es auch bemerkt hatte. Wenn es einen Treffpunkt mit einem anderen Ausbildungsgeschwader gab, konnte das nur Eines heißen: Kein Zielschießen, sondern ein richtiger Übungskampf!

"Jawohl Kommandant Hergat. Ihr habt ihn gehört, Kadetten. Startet die Triebwerke und bringt uns auf Kurs! Erster Lagebericht, sobald wir den Orbit des Planeten verlassen haben." befahl die Bass-Stimme des Käptens.

Anders als es wahrscheinlich die meisten Kapitäne handhabten, benötigte Kapitän Lonn offenbar kein Mikrofon. Das Gerät hing an Ort und stelle in seinem Sessel und war mit Kopfhörern verbunden, welche die Crew sich wie selbstverständlich aufgezogen hatte.

Eigentlich sollte man sich anschnallen und hinsetzen, sobald der Startbefehl erteilt worden war. Lonn stand aber vor seinem Sessel.

Der Kommandant dagegen nahm es ganz genau und war im Prinzip schon bei Erteilung seines Befehls gesessen. Kapitän Lonn blieb weiterhin stehen.

Kuhn wusste, dass es seine Aufgabe war, die Triebwerke zu starten und die Sea of Infinity zu steuern. Im Pilotensitz hinter ihm, der etwas erhöht zu seinem Sitz lag, befand sich ein Ausbilder, der ihn unterstützte und im Zweifelsfall eingreifen würde.

Doch Kuhn hatte an der Akademie gut aufgepasst und auch die praktischen Prüfungen gemeistert. Ebenso Derek. Wenn auch nur im Simulator. Aufgrund ihrer herausragenden Leistungen hatte man sie dem Flaggschiff zugeteilt.

"Maschinenraum, wie ist ihr Status?" funkte Kuhn weiter runter ins Schiff zu den Maschinisten.

"100%, bereit." kam es zurück.

"Navigationsdaten auf Display 1 schicken." funkte Kuhn anschließend zu den Navigatoren.

Die konnten ihn, anders als die Maschinisten, auch direkt hören - aber das würde sich gleich ändern.

"Zündung." verkündete Kuhn.

Rechts und Links neben ihm befanden sich 2 Hebel, welche er nun gleichzeitig umlegte. Die Triebwerke begannen mit ihrem Getöse. Es dauerte nicht lange und man hörte ohne Funk kein Wort mehr von den Anderen. Zugegeben, bei der Ausbildung wurden auch nicht mehr die modernsten Schiffe eingesetzt.

"Navigationsdaten auf Display 1, Route zum Treffpunkt." meldeten die Navigatoren über Funk.

"Navigationsdaten empfangen. Starte Navigations-Routine. Triebwerksleistung 5:5, vollständig gestartet, Leerlauf." meldete Kuhn fleißig, was er gerade durchführte.

Schön nach Protokoll, wie man es ihm beigebracht hatte. 5:5 bedeutete, jedes der beiden Triebwerke lief auf 5% seiner Leistung.

"Navigations-Routine Punkt 0 Startprozedur eingeleitet, Sichtprüfung: ... Weg frei, fahre Triebwerke an auf..." gab Kuhn weiter zu Protokoll, wurde aber von Kapitän Lonn unterbrochen:

"Schön mein Junge, du kannst das Protokoll vorbeten. Wir haben es alle begriffen. Jetzt gib schon Vollgas und jage den Vogel zu den Sternen!"

Kuhn war kurz etwas irritiert. Er wusste, dass es der Kommandant eigentlich sehr genau nahm und das nicht unbedingt durchgehen lassen würde. Der Kommandant war der Ranghöhere. Für gewöhnlich ließen Kommandanten und Generäle ihre Kapitäne die Kleinigkeiten an Bord zwar selbst regeln, doch Kommandant Hergat war dafür eigentlich nicht bekannt.

Hergat war allerdings gerade in irgendein Funkgespräch verwickelt. Es musste ein privates Gespräch sein, sonst würden es das gesamte Cockpit und der Maschinenraum mitbekommen.

Die Gefechtsstände auch, wenn sie besetzt wären.

Derek sah man mit fragendem Gesicht neben Hergart sitzen, der wusste es also auch nicht.

Nun, wenn der Flottenkommandant Wichtigeres zu tun hatte und der Kapitän es so wollte, war Kuhn der Letzte, der eine Gelegenheit ausließ, den Schubhebel auf Anschlag zu schieben. Ein bisschen Protokoll musste aber doch sein, Kuhn wusste es nicht anders.

"Fahre Triebwerke an, Ausgangszustand 5:5, Ziel 100:100, maximale Schubsteigerung." ließ Kuhn hören und knallte die Hebel auf Anschlag.

"Jaaaa, so gefällst du mir Junge!" bellte Kapitän Lonn.

Unter dem Schiff brauste augenblicklich eine Art Donnerwetter los. Die Triebwerke heulten auf und die Sea of Infinity entfernte sich schlagartig vom Boden ihres Heimatplaneten.

Spätestens jetzt verstand man sein eigenes Wort nicht mehr. Ohne Kopfhörer musste man im Prinzip sofort taub werden.

Kapitän Lonn jedoch übertönte mit seinem Lachen allen Lärm. Er hielt sich locker an seinem Sitz fest und blieb daneben stehen, während der Rest der Crew froh war, angeschnallt zu sein. Altes Schiff hin oder her, man wurde doch gewaltig in den Sitz gedrückt. Die Sea of Infinity war damals gründlich und mit Bedacht modifiziert worden, ihre 100% Schubkraft erreichte sie schneller als so manches moderne Raumgefährt. Außerdem waren ihre 100% deutlich mehr als die 100% so manchen neueren Schiffs.

Derek und der Rest der Crew waren ziemlich überrascht, Kommandant Hergat funkte unbeirrt in seinem privaten Gespräch weiter und der Kapitän lachte unaufhörlich.

Mit irrem Tempo schraubte sich die Sea of Infinity, die Kadetten Derek und Kuhn ganz Vorn mit dabei, in Richtung Sternenmeer.

Derek musste gut aufpassen. Es dauerte kaum 1 Minute bis zum Orbit, wo er den ersten Lagebericht geben sollte. Er sah durch die große Scheibe des Cockpits, wie sie die Atmosphäre ihrer Heimat durchbrachen. Also fing der junge Kadett an:

"Angeordneter Lagebericht, planmäßiges Erreichen des Orbits. Geschwader in..."

Derek stockte.

"Sternformation" hatte er sagen wollen.

Doch das restliche Geschwader war nicht hinter ihnen. Auch nicht vor ihnen oder um sie herum. Alle anderen Schiffe hätten ihnen folgen sollen. Natürlich waren sie langsamer als das Flaggschiff - aber nicht so viel langsamer, oder?

Hatten die Kameraden an den Kommunikationspulten die Kommandos ihres Kommandanten etwa nicht weitergeleitet? Derek wusste genau, dass es nicht seine Aufgabe war.

"Geschwader womöglich noch am Boden." verlautete Derek also stattdessen.

"Womöglich???" bellte Kapitän Lonn ihn an.

"Sag mir das gefälligst genau!" fügte er hinzu.

Derek studierte schon längst mit einem Anflug von Panik einen Monitor, der ihm die taktische Anordnung des Geschwaders aufzeigte. Darauf war allerdings überhaupt keines der 24 alliierten Schiffe zu erkennen. Genau genommen sah man nur die Sea of Infinity.

"Kommunikation, Information an die anderen Schiffe: der Sea of Infinity ist in Sternformation zu folgen." funkte Derek die Kollegen an.

Inzwischen hatte Kuhn einiges an Schub herausgenommen und es war zum Glück nicht mehr so ohrenbetäubend laut. Die Sea of Infinity segelte ruhig durch den Orbit, kurz über der Atmosphäre. Für den atemberaubenden Anblick ihrer Heimatwelt blieb den Kadetten leider keine Zeit.

"Na, was ist?" blieb ihr Kapitän unruhig.

Der Kommandant indes führte sein Privatgespräch ohne Unterbrechung fort. Quasi das genaue Gegenteil des Kapitäns.

Derek wusste nicht, was er antworten sollte und von den Kommunikations-Kollegen kam nicht eine Silbe durchs Cockpit, nicht ein verrauschtes Wort über Funk. Lonn hatte sich gerade auf Derek eingeschossen. Der Rest war wohl froh, dass sie nicht direkt für den Bericht verantwortlich zeichneten. Kuhn schaute etwas mitleidig drein, konnte Derek aber gerade wirklich nicht helfen. Auch der taktische Monitor half Derek wenig.

"Sowas schickt man uns von der Akademie aufs Flaggschiff?? Ein Haufen unschlüssiger Schüler mit Bestnoten in Theorie, aber 0 Erfahrung im Kampf???" brüllte Kapitän Lonn die gesamte Besatzung im Cockpit an.

Da hatte der Rest sich ein wenig zu früh in Sicherheit gewiegt. Derek ließ sich jedoch nicht zu Schadenfreude hinreißen. Der Kadett schaltete den Monitor auf Raumanalyse um und blendete den aufgebrachten Schiffs-Chef sowie den teilnahmslosen Geschwader-Chef aus. Nur für einen Moment. Er brauchte kurz ein wenig innere Ruhe, um das Bild zu analysieren und auf die Informationen hin zu untersuchen, welche er benötigte. Mit den richtigen Feineinstellungen bekam er einen halbwegs klaren Blick auf die Planetenoberfläche.

Nun konnte Derek eindeutig erkennen, dass sich das gesamte restliche Geschwader - alle Schiffe außer ihrem Flaggschiff - noch in Parkposition befand. Die waren noch nicht einmal abgehoben, nicht einen Millimeter.

"Lagebericht: Flaggschiff im Orbit, Geschwader am Boden." meldete Derek.

Der Kapitän verfiel in schallendes Gelächter. Bestimmt eine halbe Minute lang war er nur am Lachen, während die Crew ihn fassungslos ansah.

"Kommandant Hergat?" sprach Kapitän Lonn ihn an.

"Was ist Lonn? Ich bin gerade in einem Planungsgespräch. Mein Befehl wurde erteilt, sind wir schon am Treffpunkt? Mir scheint, wir sind es noch nicht." zeigte Hergat sich verschnupft über die Störung.

"Mir scheint, ihre Befehle sind nicht beim Geschwader angekommen, Kommandant." äffte Lonn den Ton seines ranghöheren Offiziers nach.

Ein kurzes belustigtes Raunen machte die Runde in der Crew. Kuhn am Steuer musste aufpassen, nicht genauso laut zu lachen wie sein Kapitän gerade eben. Selbst Derek, eigentlich eher ein ernster Zeitgenosse, war in Gefahr, einen Lachanfall zu erleiden.

Hergat raunte:

"Entschuldige, wir reden später weiter." in sein Funkgerät.

Anschließend erhob er sich und verstellte ein paar Rädchen und Schalter an seinem Funkgerät. Neben Lonn war Hergat wirklich fast winzig.

"Hier ist Kommandant Hergat mit dem Befehl zum Abflug. Alle Schiffe haben sich in Sternformation um das Flaggschiff zu versammeln. Anschließend ist dem Flaggschiff in Sternformation zu folgen. Hergat Ende." funkte Hergat an die Flotte.

Derek hatte flüchtig bemerkt, von welchem Kanal auf welchen anderen Kanal der Kommandant geschaltet hatte. Den privaten Kanal kannte er nicht, aber der zweite Kanal war der autorisierte Kommandanten-Rundfunk. Nun war Derek auch klar, weshalb das Geschwader bisher nicht abgehoben war: Hergats Befehl war nicht über diesen autorisierten Kanal gekommen. Alternativ hätte er eine Autorisierung an die Kommunikations-Crew senden können, um seinen Befehl zu validieren, damit Diese ihn wirksam verteilen konnten. So eine Autorisierung bräuchte Derek ebenfalls und für jeden Befehl, wenn er ihn im Namen des Kommandanten oder des Kapitäns weitergeben wollte. Die Funktechnik autorisierte über die Stimme und den Fingerabdruck am Griff. Derek könnte auf dem Kommandanten-Rundfunk-Kanal funken, was er wollte - niemand würde auf ihn hören.

Da jetzt alles mit rechten Dingen abgelaufen war, konnte Derek auf seinem Monitor die Schiffe des Geschwaders abheben sehen. Er schätzte, dass bis zur Ankunft und Einnahme der Formation etwa 10 Minuten vergehen würden.

Es waren schließlich 15 Minuten. Der restliche Flug verlief ereignislos und dauerte nicht allzu lang. Hergat funkte wieder privat, Lonn stand mit verschränkten Armen vor seinem Sitz und grummelte in seinen Bart. Kuhn hielt das Steuer und den Schub konstant, Derek kontrollierte seine Instrumente. Schließlich waren sie fast am vereinbarten Treffpunkt angekommen. Das andere Geschwader ließ wohl noch auf sich warten.

Kurz bevor der Befehl zum Beginn des Übungsgefechts erteilt wurde, geschah jedoch etwas, mit dem sie nicht einmal zu allerletzt gerechnet hätten.

"Kapitän Lonn, ein Hilferuf aus der Nähe von Chandterna!" meldete ein Kommunikator, was er aufgeschnappt hatte.

"Spiel es schon vor, Kadett!" forderte Lonn ohne Umschweife.

Es knackte kurz in den Lautsprechern des Cockpits. Man hörte eine Explosion und laute Schreie.

"AaaaAAAAAAH! Ist da draußen wer? HELFT UNS! Piraaaten!" schrie eine Stimme voller Furcht.

Nach einem weiteren Knacken war es seltsam still.

Derek, Kuhn und den anderen Kadetten lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Wenn sie nur wüssten, dass auch ihrem Kapitän in diesem Moment ganz anders wurde. So etwas hatte er früher öfter hören müssen. Das war keine Schauspielerei. Hier war jemand in seinen schlimmsten Albtraum geraten.

"Besetzt die Gefechtspositionen, geht in den Interventionsmodus! Wir fliegen nach Chandterna! In der Zwischenzeit will ich die genaue Position des Hilferufs wissen und mit welchen Piraten wir es zu tun haben!" befahl Kapitän Lonn fast schon wie aus Reflex.

"Einen Moment Lonn, was ist hier los? Wollen sie gerade ein Schiff voller Erstflug-Kadetten mit nichts als Übungsmunition an Bord in den sicheren Tod schicken?" protestierte Hergat.

Private Kommunikation hin oder her, der Hilferuf hatte ihn sichtlich auch nicht kalt gelassen. Doch gerade fürchtete er sich recht offensichtlich nicht nur um die Haut der Crew des Schiffs.

"Kommandant Hergat, ich kann doch auf ihre Unterstützung und die ihres Geschwaders zählen? Wer oder was wir sind, müssen die Piraten nicht wissen. Auch nicht das mit den Platzpatronen. Wenn sie uns sehen, drehen sie ab. Piraten wollen leichte Beute." war Lonn sicher.

Während die Führungsriege diskutierte, hatte die Crew der Sea of Infinity schon alle Hebel in Bewegung gesetzt. Der Gefechtsalarm ertönte, die Triebwerke liefen hoch.

"Kapitän Lonn, wie es aussieht ist eine Gruppe Handelsschiffe von einer Bande Piraten überrascht worden. Es sind 3 kleine Karperschiffe." meldete Derek, was die Radartechniker und er auf die Schnelle gefunden hatten.

Lonn dachte bei sich, dass seine Crew vielleicht doch etwas taugte. Er ließ kurz von seiner Diskussion mit Hergat ab, um eine Durchsage zu machen. Jetzt benutzte sogar Lonn einmal sein Funkgerät.

"Ihr müsst jetzt genau das tun, wofür ihr ausgebildet wurdet. Wir werden einer Horde Piraten das Fürchten lehren. Nicht anders herum! Vergesst, dass ihr Kadetten seid. Weder die Piraten noch die Händler interessiert das. Ihr seid jetzt die einzige Hoffnung von ein paar Handelsschiffen, die Pech hatten. Nehmt das aber nicht auf die leichte Schulter. Die Piraten sind genauso gut ausgestattet und ausgebildet wie wir. Eigentlich besser, denn sie kämpfen öfter als wir und geben mehr Geld für Waffen aus. Sie sind brutal, gemein und nur auf die Beute aus. Es gibt viele Ex-Militärs unter ihnen, sie wissen genau, was wir tun. Doch wir haben die Gerechtigkeit auf unserer Seite und ein ganzes Geschwader. Denkt nicht so einen Unsinn wie die Piratenschiffe zerstören zu wollen. Wir holen die Handelsschiffe aus der Misere und versuchen, dabei nicht selbst draufzugehen!"

Im Angesicht dieser Ansprache gab Hergat seinen Widerstand auf und mobilisierte das Geschwader. Derek sah ihn wieder von dem ominösen Privatkanal auf den autorisierten Rundfunk umschalten.

"Alle Schiffe in Interventionsmodus! Achtung, das ist keine Übung! Ich wiederhole, das ist KEINE ÜBUNG!" gab der Kommandant durch.

Anschließend übermittelte er den Rest des Befehls in Datenform. Eine Ansprache wie von Lonn konnte man von Hergat anscheinend nicht erwarten. Das andere Ausbildungsgeschwader hatte Hergat um Unterstützung gebeten. Es war noch aus der anderen Richtung unterwegs zum eigentlichen Treffpunkt.

Doch das war Derek, Kuhn und den Anderen gerade ein schwacher Trost. SIE waren schließlich diejenigen, welche als Erstes ankommen würden. Mit stumpfen Geschossen. Ihr Adrenalinspiegel erreichte ungeahnte Höhen. Kuhn fühlte sich wie ein Vollidiot, sich über Zielschießen ausgelassen zu haben. Es wäre ihm jetzt unendlich viel lieber.

Derek war nach der Ansprache von Lonn zwar nicht weniger aufgeregt, doch sie hatte gewirkt. Früher oder später wäre das sowieso passiert, ein echter Kampf. Sie mussten sich jetzt auf ihre Ausbildung verlassen. Darauf und aufeinander, auf die Sea of Infinity sowie ihre erfahrenen Offiziere.

Kuhn zog an den Schubhebeln. Die Beschleunigung war noch irrer als bei ihrem Abflug.

Selbst Kapitän Lonn saß nun angeschnallt in seinem Sitz. Unterwegs sprach niemand ein Wort. Nur das Getöse des Antriebs verhinderte natürlich eine stille Reise. Die Alarmlichter leuchteten noch, die Alarmsirene war allerdings längst aus. Inzwischen wusste jeder, dass man auf ein Gefecht jederzeit vorbereitet sein musste.

Der Flug zum Ort des Piratenüberfalls dauerte gefühlt eine Ewigkeit, die Anspannung war überwältigend. Selbst wenn sie so schnell flogen wie es nur irgendwie möglich war, mussten sie 25 Minuten warten, bis sie wirklich zum Einsatz kommen konnten...